Sehnsucht, Heimweh und Verlangen

Von Werner Leiss · · 2024/Mai-Jun
Werner Leiss hört sich um

Zwei Sängerinnen auf den Spuren von Cesária Évora, der Meisterin der melancholischen Morna.

Die Republik Kap Verde hat zwar nur rund 500.000 Einwohner:innen, der musikalische Output des afrikanischen Inselstaates im Zentralatlantik ist in Relation dazu jedoch beachtlich. Spätestens mit dem großen Erfolg von Cesária Évora, dieser stets barfuß auftretenden Gesangsdiva, vor allem in den Neunziger und Nullerjahren ist Kap Verde auch der Musikwelt ein Begriff.

Die Eltern der Sängerin Nancy Vieira aus Kap Verde lebten in Guinea-Bissau, als sie 1975 auf die Welt kam. Nach der Rückkehr wurde ihr Vater Minister. Als sie 14 Jahre alt war, wurde er Botschafter in Portugal und die Familie übersiedelte nach Lissabon.

Stilistisch verbindet Nancy Vieira traditionelle kapverdische Musik mit Einflüssen aus Brasilien und der Karibik. Dennoch ist es besonders die Morna, der sie treu geblieben ist: Es ist die bekannteste Musikrichtung der Kapverden, geprägt durch Moll-Tonarten, weshalb sie gerne mit dem portugiesischen Fado verglichen wird.

Klangliche Vielfalt. Nancy Vieira hat viel Respekt vor diesem Musikstil, in dem viel Sehnsucht, Heimweh und Verlangen liegt und den sie so großartig beherrscht. Nicht umsonst wird sie längst als legitime Nachfolgerin Cesária Évoras angesehen. „Gente“, das neue Album, wurde in Lissabon aufgenommen, und der Klang dieser Stadt ist zu hören. Von dort stammt der Perkussionist Iuri Oliveira, der einer der treibenden Kräfte hinter dem Album ist. Dazu kommen Mário Lúcio und Osvaldo Vaiss Dias von den Kapverdischen Inseln, Olmo Marin aus dem Baskenland, aus Brasilien die beiden Akkordeonisten Luciano Maia und Gustavo Nunes, aus der Ukraine der Geiger Denys Stetsenko.

Auch mit Bossa Nova versteht Nancy Vieira zu überzeugen, genau wie mit einem Fado mit António Zambujo und dem Rapper Chullage. Das Lied „Singa“ auf guineischem Kreolisch mit dem Sänger Remna ist ein weiterer Höhepunkt auf dem Album.

Spurensuche. Kavita Shah ist fernab Kap Verde in New York geboren und eine US-amerikanische Jazzsängerin mit indischen Wurzeln. Sie widerlegt mit dem Album „Cape Verdean Blues“ die oftmals gehörte Meinung, ausgebildete Stimmen würden keine Lieder interpretieren können, die aus der Emotion heraus entstanden sind.

Im Alter von 20 Jahren hörte Kavita Shah die Stimme Césaria Évoras zum ersten Mal. Elf Jahre später reiste sie in die kapverdische Stadt Mindelo, um den Zauber dieser Melodien vor Ort zu studieren. Sie kam immer wieder und knüpfte viele Kontakte mit Menschen, die Césaria Évoras jahrelang begleitet haben, insbesondere mit Rufino Almeida, besser bekannt als „Bau“, der musikalischer Direktor von Cesária Évora war. Mit ihm arbeitete Kavita Shah an diesem überzeugenden Album.

Werner Leiss ist Musikkritiker des Südwind-Magazins und Redakteur des Concerto, Österreichs Musikmagazin für Jazz, Blues und Worldmusic.

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